Freizeitparks

Entertainment statt Entsorgung – Neuer Themenpark in Venedig?

verfasst von Mike

Es klingt schon ein bisschen verrückt, wenn einem jemand erzählt, dass er aus dem Gelände einer vor mehr als 30 Jahren geschlossenen Müllverbrennungsanlage einen Freizeitpark mit – und jetzt kommt’s – einem Naturpfad machen möchte. Doch genau diese Idee hat der namhafte italienische Hersteller von Fahrgeschäften aller Art Zamperla kürzlich vorgestellt. Angedachter Ort für diese auf den ersten Blick kuriose Vision, ist die 12 Bootsminuten vom Markusplatz in Venedig entfernte Insel San Biagio.

Zamperla hat nicht nur eine große und vielfältige Palette an Rides zu bieten, sondern würde auch eine Menge Erfahrung in Sachen Freizeitpark mitbringen, denn das Unternehmen ist weltweit an diversen Freizeitparks beteiligt, wie z.B. Disneyland Paris, dem Tivoli in Kopenhagen und Coney Island in New York. 80 Millionen Euro sind derzeit veranschlagt, um die Pläne auf der am Giudecca-Kanal gelegene Insel zu verwirklichen. Somit blieben der Stadt Venedig die Kosten für das Reinigen des Geländes von den Hinterlassenschaften der ehemaligen Abfallwirtschaft erspart, wobei natürlich zunächst geklärt werden muss, wie viel Schaden durch Schwermetalle und Toxine wirklich entstanden ist. Außerdem wäre Venedig um eine Attraktion reicher – anstelle eines ca. 40.000 Quadratmeter großen Eilandes voller belastetem Boden.

Auf der Insel San Biagio soll der neue Themenpark entstehen, wenn es nach Alberto Zamperla geht.

Auf der Insel San Biagio soll der neue Themenpark entstehen, wenn es nach Alberto Zamperla geht.

Wer aber nun glaubt, die Bürger Venedigs und/oder ihre politischen Vertreter würden vor Freude Luftsprünge absolvieren und rote Teppiche ausrollen, irrt gewaltig. So sagt Matteo Secchi von Venessia.com im Namen der Bürgerschaft, dass Venedig so oder so schon mehr und mehr zu einer Art Freizeitpark „verkommen“ sei und die Stadt auch ohne Riesenrad und Achterbahnen mit genügend Attraktionen, in Form von hunderten Steinbrücken, wunderschönen Palazzi und den charakteristischen Kanälen, inklusive der weltweit bekannten Gondoliere, unter den Touristenmassen zu ersticken droht. Immerhin besuchten alleine 2011 rund 30 Millionen Besucher die Stadt der Wasserstraßen, was, so Secchi, die Einheimischen die Flucht aus der Stadt ergreifen und abwandern lasse. Auch der Bürgermeister steht dem Projekt eher skeptisch gegenüber. Zwar ist ihm, wie auch Stadtrat Roberto Vianello, klar, dass das Areal von den Belastungen, beispielsweise der Böden befreit werden muss, aber auch er fürchtet sowohl die Ausbeutung der Kultur, als auch den infrastrukturellen Kollaps. Dem „Corriere del Veneto“ sagte er: „Die Landgewinnung muss mit Respekt vor der Stadt geschehen. Venedig ist kein Spielplatz.“

Auf den ersten Artworks erinnert nichts mehr an die Mülverbrennungsanlage von einst.

Auf den ersten Artworks erinnert nichts mehr an die Mülverbrennungsanlage von einst.

Dabei hat Zamperla laut eigener Aussage keineswegs vor, einen reinen Freizeitpark im herkömmlichen Sinne aufzuziehen. Vielmehr plane man ein Zentrum für venezianische Geschichte, Kultur und Natur, wo dem geneigten Besucher die Traditionen der Lagune, sowie ihr Ökosystem näher gebracht werden soll. Durch multimediale Angebote, wie Touchscreens, die den Touristen Informationen über die Pflanzen- und Tierwelt in der Lagune jederzeit zur Verfügung stellen sollen, will man das Ganze auf aktuellem technischen Stand präsentieren. Auch der Karneval und historische Ereignisse, wie die Seeschlacht von Lepanto, sollen natürlich Berücksichtigung finden. Allerdings stellt Firmenchef Alberto Zamperla klar, wie wichtig das Zusatzangebot, beispielsweise das Riesenrad, von dem aus man sich einen hübschen Blick über die Stadt verschaffen könnte, ist: „Um ein Kulturprojekt auf die Beine zu stellen, braucht es aber auch ein gewisses Unterhaltungsangebot“.

Vielversprechend sehen die Pläne allemal aus. Ob diese Bilder die Kritiker überzeugen können?

Vielversprechend sehen die Pläne allemal aus. Ob diese Bilder die Kritiker überzeugen können?

Nun hängt es von der Entscheidung des Kommunalrates ab, welcher San Biagio erst noch freigeben müsste. Ihm obliegt es jetzt die Vor- und Nachteile abzuwägen, welche ein Projekt dieser Größenordnung mit sich bringen würde. Zamperla wäre bereit, haben sie doch bereits eine 4 Jahre gültige Konzession, die es ihnen gestatten würde, die brachliegende Insel zu begutachten. Es bleibt also spannend, denn interessant ist das Projekt allemal.

Bildrechte:
Titel und Bild 1+2 Zamperla
Bild 3: venedig-ebb.blogspot.com

über den Autor

Mike