Freizeitparks Themenmonat

Wenn alles schief läuft – Pannen in der Welt der Freizeitparks (Teil 1)

verfasst von Mathias

Ein Rekord, das ist erst einmal ein sehr positiver Begriff – und das haben wir in diesem Themenmonat mit den zehn schnellsten Achterbahnen oder besonders hochen Thrillrides ja auch schon feststellen können. Doch Rekorde können natürlich auch negativ sein und heißen dann Negativrekorde. Und so beschäftigt sich dieser Beitrag einmal mit Freizeitparkprojekten und -attraktion die in der Planung ganz besonders schief liefen – rekordverdächtig schief. Kein Geld mehr, technische Missplanung, fehlendes Besucherinteresse: Es gibt viele Gründe, aus denen ein Freizeitparkprojekt aus dem Ruder laufen kann – und auch viele schöne Beispiele dafür. Viel Spaß beim Lesen!

Flying Turns, Knoebels Amusement Resort (USA)
eröffnet 2013, nach 7,5 Jahren Bauzeit
Die Verantwortlichen im traditionsreichen amerikanischen Freizeitpark Knoebels Amusement Resort waren sich wohl durchaus bewusst, was für eine Aufgabe sie sich aufgeladen hatten, als sie beschlossen, in Eigenregie eine hölzerne (!) Bobbahn zu bauen. Eine derartige Attraktion war im Zeitalter von modernen Attraktionen und modernen Sicherheitsstandards noch nicht gebaut worden. Und als Vorlage diente ein Layout, das John A. Miller und John Norman Bartlett in den 1920er Jahren entworfen hatten. Bereits im Jahr 2006 begannen die Bauarbeiten und erst rund siebeneinhalb Jahre später, im Oktober 2013 konnte die Attraktion eröffnet werden.


Dabei fanden die ersten Tests schon 2007 statt, doch ab dann liest sich die Baugeschichte der Attraktion wie eine Aneinanderreihung immer neuer Rückschläge und Neuversuche. Eine zentrale Herausforderung war, das richtige Verhältnis zwischen den Bobs und dem hölzernen Kanal zu finden. Mal waren die Räder nicht in Ordnung und mussten ersetzt werden, mal fuhren die Bobs viel zu schnell über die Strecke. Nicht nur die Fahrzeuge wurden laufend angepasst, auch die Strecke selbst wurde teilweise retracked. Im Grunde hatte Knoebels mit den Flying Turns ein Testlabor mitten im Park aufgebaut. Dass die Flying Turns dann letztlich doch besucherzugänglich wurden, damit hatten schon nicht mehr alle gerechnet.


Vertigo, Walibi Belgium (BE)
eröffnet 2007 mit einem Jahr Verzögerung, geschlossen 2008
Vertigo – also Schwindel – das war es, was Walibi Belgium vor einigen Jahren mit einer außergewöhnlichen Attraktion gleichen Namens bei Fahrgästen auslösen wollte, doch letztlich waren es weniger die Fahrgäste, sondern vielmehr die Parkoffiziellen, denen beim Denken an das Projekt Schwindelgefühle aufkamen. Doch der Reihe nach: Die Idee von Vertigo war durchaus etwas völlig Neues. Zwar kann man die Attraktion auch als Suspended Coaster bezeichnen (und so listet sie auch die Rollercoaster Database), doch ungewöhnlich war, dass die acht Wagen nicht an herkömmlichen Schienen, sondern an Seilen hingen. Vertigo war damit eine interessante Kombination aus Seilbahn und Achterbahn. Die vier Fahrgäste pro Wagen wurden mithilfe eines Vertikallifts auf 55 Meter Höhe gezogen und durchfuhren dann in knapp anderthalb Minuten ein 720 Meter langes Layout mit maximal 75 Stundenkilometern.

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Außergewöhnliche Mischung aus Inverted Coaster und Seilbahn: Die Technik brachte Walibi Belgiums Vertigo schließlich zu Fall.

Doch dieses innovative Konzept, realisiert vom österreichischem Seilbahnhersteller Doppelmayr, hatte auch seine Tücken, denn die sonst bei Achterbahnen üblicherweise an den Schienen integrierten Bremsen mussten an den Wagen selbst montiert werden – und die gesamte Steuerung der Anlage arbeitete über WLAN. So traten bei der neuen Attraktion laufend Schwierigkeiten auf. Erst verzögerte sich die Eröffnung um ein Jahr und als es dann 2007 endlich soweit sein sollte, viel die Anlage nach kurzer Zeit schon wieder aus. Die erneute Eröffnung fand dann im Mai 2008 statt, unter anderem in Anwesenheit von Jean-Claude van Damme. Schon nach wenigen Tagen folgte die erneute Schließung, bis der Park im Herbst desselben Jahres den Rückbau der Anlage ankündigte.

Space Park Bremen (DE)
eröffnet und geschlossen im Jahr 2004
Manchmal erscheint ein neuer Freizeitpark kurz vor der Eröffnung noch makellos und eine „runde Sache“ zu sein – und trotzdem wird das Projekt zum Millionengrab: So geschehen im Jahr 2004 mit dem Space Center Bremen, einer für Deutschland neuen Kombination aus Indoor-Freizeitpark mit Weltraumtheming und Einkaufszentrum. Es ist dabei schon erstaunlich, wie optimistisch alle Beteiligten – Mitarbeiter bei der Stadt Bremen, beim federführenden Unternehmen des Projekts und auch bei den Partnern für Lizenzen von Star Trek und Stargate – vor der Eröffnung des Space Parks waren. 500 Millionen Euro hatte man investiert, davon flossen 100 Millionen Euro in den Freizeitpark. Als der Park im Februar 2004 offiziell eröffnete, waren dort eine Vielzahl recht innovativer Attraktionen und Ideen verwirklicht: Die Simulation eines Star-Trek-Holodecks, eine Achterbahn mit Virtual-Reality-Komponente, weitere außergewöhnliche Simulatoren, 3D- und 4D-Kinos, ein Abenteuerspielplatz in der Gestalt der Mondoberfläche und vieles mehr.

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Space Center Bremen – der Indoorfreizeitpark in der Einkaufsmall hatte kaum Erfolg.

All das klingt vielversprechend und außergewöhnlich, doch es half nichts, denn im September desselben Jahres, gerade einmal ein halbes Jahr nach der Eröffnung schloss der Space Park seine Tore bereits für immer. Gemessen an der kalkulierten Besucherzahl von 1,4 Millionen Menschen waren einfach zu wenig Besucher in den Park gekommen und zu allem Überfluss hatte sich die Dresdner Bank, bis dahin einer der Hauptunterstützer, auch noch aus dem Projekt zurückgezogen. Vielleicht war die vorzeitige Schließung aber auch ein Schnellschuss: Denn mangels eines Ankermieters war vom Einzelhandel im Jahr der Öffnung des Space Parks noch nicht viel zu sehen. Vielleicht hätten sich die Besucherzahlen ja mit einem geöffneten Einkaufszentrum doch noch auf ein ordentliches Niveau hieven können. Übrigens ist im damaligen Space Center heute wieder ein Einkaufscenter untergebracht. Die Waterfront Bremen hat auf einen Freizeitpark jedoch verzichtet.

Droomvlucht, Efteling (NL)
eröffnet 1993 mit einem Jahr Verzögerung
Ein Traum ist eines der weltverlassensten Dinge, die man sich nur vorstellen kann, doch realisiert man ihn in einem Darkride, wie es Efteling zu Beginn der 1990er-Jahre mit Droomvlucht tat, hat er mit der Wahl eines Transportsystems eine extrem wirkliche Komponente. Und während die Modelleure und Designer bereits mit der Gestaltung der einzelnen Szenen zugange waren, spitzte sich im Sommer 1991 die Lage auf der technischen Seite immer weiter zu. Das Gondelsystem der Attraktion sollte eigentlich von Computerized People Movers (CPM) geliefert werden, doch die britische Firma war mit ihren Aufgaben bereits hinter der Zeit, ein Werkbesuch Eftelings war denkbar schlecht verlaufen und zeitweise waren Telefonanrufe und Faxe beharrlich ignoriert worden. Und nun das: CPM war zahlungsunfähig geworden und hatte Efteling damit vor die Herausforderung gestellt, innerhalb von weniger als einem Jahr ein neues Transportsystem zu finden und einbauen zu lassen.

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Motorprobleme – mit dem Gondelfahrsystem von Droomvlucht gab es mehr Probleme, als es Efteling lieb war.

Der Park entschied sich für die doppelte Lösung: Die Bayerische Hüttenbau- und Salzwerke AG, auch bekannt als Schwarzkopf-Lieferant, stellte die Schienen her, während die britische Firma Translift für das neue Transportsystem einsprang. Besonders bei Translift ging es aber erneut drunter und drüber, denn bislang hatte man dort Erfahrungen eher im Bereich von automatischen Fabriktransportsystemen gesammelt. So war die Maximallast der Gondeln viel zu gering berechnet und bei zu viel Gewicht blockierten die direkt an den Gondeln montierten Motoren. Auf diese Weise wurde es trotz aller Anstrengungen nichts mit einer pünktlichen Eröffnung zur Jubiläumssaison 1992. Erst ein Jahr später konnte die Eröffnung gefeiert werden – und zu allem Überfluss zerstörte dann ein aus diesem Anlass entzündetes Feuerwerk auch noch Teile der Dekoration.

Intimidator 305, Kings Dominion (USA)
eröffnet 2010, umgebaut 2010 und 2011
Intimidator 305 ist eine Stahlachterbahn von wahrlich amerikanischem Format: Zunächst erklimmen die Besucher einen 93 Meter hohen Lifthill, dann geht es fast dieselbe Distanz noch einmal in der Abfahrt herunter, die Spitzengeschwindigkeit beträgt rund 145 Stundenkilometer. Mit all diesen Werten liegt sie auch heute, fünf Jahre nach der Eröffnung, noch in den Top 10 der weltweiten Achterbahnen. Parkgäste, die diese Bahn besuchen, wollen ganz ohne Zweifel etwas Außergewöhnliches erleben, thrillscheue Zeitgenossen wird man dort eher nicht finden.

Intimidator 305 vor den Anpassungen…


Doch das, was einige Fahrgäste im ersten Jahr der Öffnung erlebten, war ganz sicher weder gewollt noch in ihrem Sinne: Die G-Kräfte nach der ersten Abfahrt in einer geneigten Kurve nach rechts waren so hoch, dass sie dort schlicht das Bewusstsein verloren, einen Blackout hatten. Das war natürlich zu viel des Thrills und der Park, Kings Dominion, musste sich etwas einfallen lassen. Die erste Idee wurde bereits wenige Wochen nach der Eröffnung umgesetzt: Mittels Reduzierbremsen wurde die Geschwindigkeit des First Drops verringert.

 

…und nach den Anpassungen im Streckenlayout.


Auf diese Weise wurden die G-Kräfte in der Kurve reduziert, aber da zum einen trotzdem noch Fälle von Blackouts auftraten und darüber hinaus die Fahrt mit geringerer Geschwindigkeit auch weniger Spaß machte, kam die endgültige Lösung erst in der Winterpause vor der 2011er-Saison. Kurzerhand änderte man in dieser Zeit die Neigung der betreffenden Kurve. Ziemlich viel Aufwand, aber mit dieser Anpassung verschwanden schließlich auch die Blackouts wieder.

Pictures Copyright: Flor!an (CC BY-SA 3.0), Efteling

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Mathias

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