Das Gefühl, einmal den Himmel zur Erde zu machen und die Erde zum Himmel, das Gefühl, einmal auf dem Kopf zu stehen; es ist das Gefühl, das jedes Jahr Massen von Menschen in die Freizeitparks zieht. Die Inversion in der Achterbahn ist unverzichtbarer Teil dieser Parks geworden. Obwohl die ersten Inversionen in Achterbahnen bereits vor mehr als 100 Jahren auftauchten, haben sie sich erst erst durch eine technische Revolution in der Mitte der 1970er-Jahre etabliert. Die Hauptbühne dieser Revolution war die Westküste der USA, der wir uns aktuell in einem Themenmonat widmen.

Beispiel für einen historischen, kreisrunden Looping (Flip Flap in Coney Island).
Während in der Zeit vor 1975 das Fahren von Inversionen in Achterbahnen ein Wagnis war, da diese Elemente so konstruiert waren, dass die physikalischen Kräfte nicht selten zur Bewusstlosigkeit der Fahrgäste führte, konnte dies ab dann verhindert werden. Zwei Achterbahnen die zu dieser Zeit an der USA-Westküste eröffneten (und noch heute in Betrieb sind) setzten den Startpunkt dieser Entwicklung.„Corkscrew“ der Firma Arrows, die 1975 in Knott’s Berry Farm eröffnete sowie „Great American Revolution“ der deutschen Firma Schwarzkopf, die ein Jahr später im Freizeitpark Magic Mountain präsentiert wurde. Beide Parks liegen nur weniger Kilometer von der Westküste-Metropole Los Angeles im Bundesstaat Kalifornien.
Corkscrew, Knott’s Berry Farm
Die Firma Arrows stand im Jahr 1971 an einem Scheideweg. Seit der Eröffnung des Disneylands 1954 war die Firma mit Sitz in Kalifornien der Vorzugspartner des Themenparks gewesen, hatte dort die erste moderne Stahlachterbahn (Matterhorn Bobsled, 1954), die Fahrsysteme zu klassischen Attraktion wie Pirates of the Carribbean (1968), It’s a small World (1964/1966) und der Haunted Mansion (1969) sowie viele kleiner Dinge realisiert. Doch 1971 war damit Schluss, Disney teilte mit, solche Dinge fortan alleine realisieren zu können.

Diese Doppel-Corkscrew revolutionierte die Achterbahn.
Bei der Firma Arrows folgte kurz darauf ein Besitzerwechsel und die Firma musste sich neu ausrichten. Ron Toomer, der bereits seit 1965 für Arrows arbeitete, stieg in dieser Zeit zum hauptveantwortlichen Ingenieur auf und war die entscheidende Kraft für die nächste Innovation, die Arrows eine neue Geschäftsgrundlage gab: Die Wiederauflage der Inversion in Achterbahnen. Hierzu zog Toomer nach einer Idee von Firmenkollege Karl Bacon aus den späten 1960er-Jahren die früheren, oft kreisrunden Loopings auseinander und machten sie zum sogenannten Korkenzieher. Die G-Kräfte wurden so an den entscheidenden Stellen reduziert – und das Inversionskonzept war erstmals tragfähig.
Die Knott-Familie, die damaligen Besitzer von Knott’s Berry Farm, begutachtete das neue Modell und wurde zu seinem allerersten Abnehmer. Doch nicht nur das: Die erste moderne Achterbahn mit Inversionen – und die erste mit zwei Inversionen überhaupt wurde zum Erfolgsmodell. Noch im selben Jahr eröffneten drei weitere, baugleiche Corkscrews und dieser Trend ließ auch in den kommenden Jahren nicht nach. Für die Corkscrew in Knott’s Berry Farm hieß es nach 14 Jahren, zum Ende der Saison 1989 jedoch Abschied nehmen: Inzwischen war das Modell schon wieder überholt und wurde ein Jahr später durch einen Boomerang von Vekoma ersetzt. Die Corkscrew fand indes im Silverwood Themepark in Utah eine neue Heimat, wo sie bis heute ihre Runden dreht.
Eröffnung: 21. Mai 1975
Hersteller: Arrow Development
Design: Ron Toomer
Inversionen: 2 (doppelter Korkenzieher)
Höhe: 21 Meter
Maximale Geschwindigkeit: 74 km/h
Fahrzeit: 1 Minute, 15 Sekunden
Späterer Standort: Silverwood Theme Park (seit 1990)
Great American Revolution, Magic Mountain
Den Rekord der ersten modernen Inversionsachterbahn hatte sich nun also Arrow Development mit seinem Ingenieur Ron Toomer gesichert. Doch ein weiterer Rekord war noch offen: Konnte man auch den altbekannten vertikalen Looping massentauglich machen, ohne ihn wie beim Korkenzieher auseinander zu ziehen? Den entscheidenden Ansatz zur notwendigen Veränderung der Form lieferte der deutsche Ingenieur Werner Stengel zusammen mit der Firma Schwarzkopf.
Er machte sich hierzu die sogenannten Klothoiden aus der Mathematik zunutze, die zum Beispiel auch im Straßenbau zum Einsatz kommen. Diese helfen dabei, Kurven so zu konzipieren, dass die Beschleunigungskräfte bei der Ein- und Ausfahrt nicht zu hoch werden. Beim Looping in der Achterbahn ist es ähnlich: Hier sind die Geschwindigkeiten der Züge bei der Durchfahrt des Loopings bekannt und so können die korrekten Klothoiden für eine unstrapaziöse Durchfahrt berechnet werden.

Die zweite Teil der Revolution erfolgte 1976 mit dem ersten Vertikallooping.
Schwarzkopf und Stengel waren somit die Kräfte hinter dem ersten modernen Looping der Achterbahngeschichte. Das Wettrennen gewannen sie allerdings nur knapp: Am 15. Mai 1976, also nur 8 Tage nach der Eröffnung der Schwarzkopf-Bahn, eröffnete im Freizeitpark Cedar Point in Ohio eine weitere Arrow-Development-Achterbahn mit dem Namen Corkscrew – sie war die erste Arrow-Bahn die mit einem Looping ausgestattet war.
Eröffnung: 8. Mai 1976
Hersteller: Schwarzkopf
Design: Werner Stengel
Inversionen: 1 (Vertikallooping)
Höhe: 34 Meter
Maximale Geschwindigkeit: 89 km/h
Fahrzeit: 2 Minuten, 12 Sekunden
Späterer Namen: La Revolución (1979-1988), Revolution (seit 1988)
Das Engagment beider Firmen, Arrow Development und Schwarzkopf sowie der dahinter stehenden Kräfte war entscheidend für die boomhafte Entwicklung der Freizeitparks in der Folge – nicht nur auf dem amerikanischen Kontinent, sondern auch in Europa.
Copyright Pictures: Orange County Archives (2, CC BY 2.0) & Jeremy Thompson (3, CC BY 2.0)