Der klassische Tourist Wiens verlangt im Normalfall nach den Klischee-Klassikern des 1. Bezirks: Kaffee und Kuchen, Sisi und Franz, Fiaker und Walzer. All das bekommt er häppchenweise in der im Mai 2012 eröffneten Attraktion namens Time Travel – The Vienna History-Show serviert. Umso verwunderlicher, dass der klassische Besucher dieser noch recht neuen Sehenswürdigkeit laut Betreiber der Wiener selbst ist. Wie kommt das? Aufschluss darüber gibt sicherlich ein Blick in die Tour, die im Gewölbe des 400 Jahre alten Klosters St. Michael stattfindet.
Bevor die Tour starten kann, ist an der Kasse ein Eintrittspreis von 18 Euro pro Erwachsenem und 14 Euro für Kinder von 5 bis 14 Jahren zu entrichten. Als Tipp sei angeführt, dass Online-Tickets günstiger und auf vielen Flyern von Time Travel Vienna und Vienna Sightseeing Gutscheine über ca. 20% abgedruckt sind. Somit lässt sich der doch recht happige Eintrittspreis ein wenig verringern.
Die Tour beginnt mit den auf Flatscreens lebendig gewordenen Portraits von Freud, Mozart, Sisi und Co., die uns in die ca. 50-minütige Geschichte einführen. Hinabgestiegen in den Gewölbekeller darf man sodann Platz nehmen in der 5-D-Kino-Zeitmaschine. In etwa zehn Minuten wird man durch 2000 Jahre Wiener Geschichte gejagt. Geboten werden eindrucksvolle Flüge durch verschiedene Epochen über die Dächer Wiens. So haben wahrscheinlich selbst Einheimische ihr Wien noch nie gesehen. Der prämierte Film mit seinen netten Überraschungen macht vor allem auch deshalb Laune, weil aus jeder Ecke von den Mitreisenden immer wieder erschrockene und überraschte „Aaahs“ und „Ooohs“ in die leicht kühle Luft des Gewölbekellers ausgestoßen werden. Schade nur, dass das kleine Feuerwerk an Effekten direkt am Anfang der Tour abgebrannt wird. So ist das Highlight der Tour dann bereits wieder Geschichte. Im Film fliegt man auch über das vom Osmanischen Heer zweimalig belagerte Wien. Der Guide und Infotafeln auf dem Verbindungsgang zum nächsten Tourpunkt erzählen in diesem Zusammenhang auch, wie dadurch der Kaffee nach Wien kam. Leider ist viel zu wenig Zeit, nachzufragen oder sich die interessanten Infotafeln durchzulesen.
Vom Hightech-Kino zum Puppentheater: Viel größer könnte der Unterschied -technisch gesehen- zur nächsten Station nicht sein. Hier präsentieren die elektronische Maria Theresia, Sisi, Kaiser Franz Josef und Maximilian in einem humorvollen, selbstironischen Dialog den Werdegang Österreichs bis zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Man erfährt in der Tat viele interessante Aspekte über die Vergrößerung des Reiches, getreu dem bekannten Motto: „Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate.“ – in Bezug auf die gewiefte Heiratspolitik der Adligen. Dieser Abschnitt Österreichischer Geschichte wird so ausführlich behandelt, dass einem als Zugereister wieder mal der Verdacht kommt, dass die heutigen Österreicher sich immer noch nach einer Monarchie der Größe von damals sehnen.
Ohne Pause geht es direkt weiter zum Schwachpunkt der Tour: Wien als Weltstadt der klassischen Musik. Zu Walzerklängen sitzen die Besucher auf einer rotierenden Bank. Außer ein paar Projektionen an die Gewölbedecke und Walzer tanzenden Paaren in Fernsehern, passiert hier allerdings wenig. Man wünscht sich, die Wiener Kultfigur Mundl käme um die Ecke und würde auf seine ganz eigene Art und Weise Leben ins Gewölbe bringen. Der Wiener würde diesen Teil der Tour mit nur einem Wort beschreiben: fad. Auch schade, dass man auf dieser Ebene nicht auf einen Ur-Wiener trifft: Falco!
Langsam tasten wir uns in der Geschichte weiter nach vorne. Nicht ausbleiben darf dabei natürlich auch Österreichs Rolle im Zweiten Weltkrieg. Anschluss, Besetzung durch die Alliierten und Staatsvertrag – ohne viele Worte wird hier das wohl schwierigste Thema relativ schnell und unreflektiert abgehandelt. Durchaus bedrückend ist aber der simulierte Fliegerangriff der Alliierten auf Wien, den man in einem Luftschutzbunker nachempfindet. Man ist froh, diesen recht bald wieder heil verlassen zu können und bekommt einen ganz vagen Eindruck davon, wie beängstigend solche Situationen damals wohl waren.
Zu guter Letzt darf man dann in einem weiteren Klischee-Klassiker Platz nehmen: Dem Fiaker. Mit sanften Bewegungen fliegt man diesmal über die Dächer des heutigen Wiens. Dass Wiener stolz auf ihre Stadt sein können, wird hier mit einigen Aussagen unterlegt (lebenswerteste Stadt, wohl bekanntester Vergnügungspark der Welt: Prater, etc.). Dann endet die kurzweilige Tour und der motivierte Guide entlässt uns mit frohen Worten, damit wir selbst auf Entdeckungstour durch das echte Wien gehen können.
Handelt es sich nun bei Time Travel Vienna um eine detaillierte Geschichtsstunde oder doch nur um reines Entertainment? Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo dazwischen, wobei das Hauptaugenmerk ganz klar auf der kurzweiligen Unterhaltung liegt. Problematisch aufgrund dieser Fokussierung ist die Darstellung des schwierigen Themas Zweiter Weltkrieg. Wie dies jedoch gelöst wurde, ist einigermaßen angemessen.
Für wen also ist Time Travel Vienna nun gedacht? Als Einheimischer kann man hier einige interessante Fakten für die Eigenrecherche mit nach Hause nehmen. Fragen an den Guide direkt vor Ort sind aus Zeitgründen leider kaum möglich. Aber die Führung mit ihren Attraktionen bietet neue Blickwinkel auf die vertraute Stadt, die man auch als Alteingesessener so noch nicht gesehen hat. Die Tour ist sehr kurzweilig und an vielen Stellen lustig und unterhaltsam.
Für Touristen bietet die Zeitreise einen netten, klischeehaften Überblick über die bekanntesten Wiener Sehenswürdigkeiten, die diese Stadt in der Welt berühmt machen und die wahrscheinlich jeder Tourist auch sehen möchte. Daher sollte man die Tour als Ausgangspunkt für die eigene Entdeckungsreise ansehen. Deshalb der Tipp: Nach der Tour aus dem Gewölbe hinauf direkt in den 1. Bezirk und ohne 5 D-Brille ganz analog das riesige Freilichtmuseum namens Wien entdecken.
Bilder (c) Time Travel Vienna BetriebsgmbH