„Nur fliegen ist schöner“ ist eine der wohl meist genutzten Floskeln unserer Zeit. Und genau so war es auch für einen kleinen Jungen in der finnischen Region Kauhava. Als er in den 50er und 60er Jahren aufwuchs, wurde er tagtäglich von startenden und landenden Flugzeugen in den Bann gezogen. Direkt neben einem Flughafen ließen sich seine Eltern nieder und Jorma Lilbacka, das älteste Kind der Familie, entwickelte seine Faszination für das Fliegen. Mit dem Traum selbst zu fliegen wurde er groß und wollte Menschen erreichen und Güter transportieren. Letzteres schaffte er durch den erfolgreichen Ausbau einer Transport- und Logistikfirma im Herzen von Finnland. Durch Geschick und Verstand gehört er nun zu den erfolgreichsten Menschen Finnlands. Vor 18 Jahren dann, zusammen mit seinen drei erwachsenen Söhnen, nahm sich Jorma das nächste Ziel vor Augen: Menschen zusammenbringen. Dafür reiste er um die Welt und entwickelte sein eigenes Konzept für einen Freizeitpark in seiner Heimatregion. Im Jahr 2000 wurde er dann eröffnet, der nördlichste Freizeitpark der Welt, der PowerPark.
Heute, 15 Jahre nach Eröffnung, besitzt der Park bereits sechs Achterbahnen. Dabei soll die Neueste den Gästen die Idee von Jorma Lilbackas Flugfaszination vermitteln. Junker, benannt nach den deutschen Junkers Flugzeug- und Motorenwerke, kommt in seinem Zugdesign als Flugzeug daher und erinnert an die erste Infinty-Coaster Auslieferung Karacho an das baden-württembergische Tripsdrill. Der Traum des Seniorchefs des Parks war es, fliegen für jeden in seinem Park spürbar zu machen. Zwar besitzt der Park schon allerlei Flatrides in denen man mal mehr oder weniger sanft fliegen kann, doch sollte die neueste Achterbahn ein völlig neues Gefühl vermitteln und dabei für die gesamte Familie erlebbar sein. Und ob das die Familie Lilbacka zusammen mit Gerstlauer Amusements Rides erreicht hat, haben wir uns für euch einmal vor Ort angesehen.
Bereits vor rund eineinhalb Jahren wurde bekannt, dass der finnische Park zusammen mit Gerstlauer an einer neuen Achterbahn arbeitet. Doch zuvor wurde lang nach dem passenden Lieferanten gesucht. Für die Wahl des Herstellers reiste die Familie um Jorma unter anderem auch nach Treffentrill bei Cleebronn und fuhr nicht nur eine Runde Karacho. Jetzt steht in der Nähe der Stadt Alahärmä, mit rund 6.500 Einwohnern, das grün-weiße Achterbahnflugzeug Junker und ist noch einmal um ca. zehn Meter im Vergleich zu seinem deutschen, älteren Bruder gewachsen. Um den höchsten Punkt von 40 Metern auf dem Outside Top Hat zu erklimmen, beschleunigt die Abschussachterbahn die Wagen direkt nach der Stationsausfahrt auf exakt 29 Meter pro Sekunde in weniger als zwei Sekunden. Mit dem 4,5-Fachen der normalen Erdanziehung presst die Anlage ihre Gäste bei 104 Stundenkilometern in den Sitz und es geht auf den verschlungenen Teil der 860 Meter langen Strecke.
Nach dem Top Hat geht es in ein neues Achterbahnelement: ein abgewandelter Norwegian Loop, von Gerstlauer als Dive Drop mit anschließendem Elongated Loop (wörtlich: verlängerter/länglicher Looping) bezeichnet, die wir hier zusammen „Finnish Loop“ nennen wollen. Und er bringt einen wirklich ans „finish“, das Ziel der Achterbahnekstase. Wir fahren mit perfekter floating airtime über den ersten Hügel und stürzen direkt in den eigentlichen Looping. Da dieser die gleiche Form hat wie der Teil, den wir gerade durchfahren haben, erleben wir aufgrund der Dehnung im Kopfteil des Überschlags eine schier endlose Hangtime. Und genau an dieser Stelle ist sie perfekt: Da die Bahn unglaublich gut bemesse Kräfte hat – und diese auch gern unseren Magen spüren lässt – hat man hier, wie im Kunstflugzeug, einen Moment zum Luftholen. Jetzt könnte man denken, dass man diesen Moment nach der Overbanked Turn in der Blockbremse hat. Weit gefehlt. Hier rast man durch und schießt in den nächsten Teil der Achterbahn, ganz ohne abgebremst zu werden. Aus dem Sitz mit ejecting airtime gerissen geht es über die Launchstrecke hinweg in den Omega Loop (oft auch als Cutback bezeichnet), einer so steilen Kurve in Tropfenform, dass sie als Überschlag gezählt wird. Weiter zum Camelback in Form eines Twisted Airtime Hill, wo man wieder nicht weiß wohin mit seinem Körper. Bei wem die Organe jetzt immer noch an Ort und Stelle sein sollten, der darf sich auf den finalen Akt der Achterbahn freuen. Denn nun folgt der aus Tripsdrill bekannte Dive Loop in den Unterwassertunnel, der perfekt berechnet in die Heartline Spin führt und nach einer 270-Grad-Helix in der Schlussbremse endet. Wer bis hier nun nicht einmal schreien oder schlucken musste, darf sich von nun an Chuck Norris nennen. – Für alle, denen das gerade zu viel Fachtermini waren, hier noch einmal alle Elemente bebildert in Reihenfolge der Fahrt und am Ende des Artikels noch ein Offride-Video zum besseren Verständnis.
Doch was bleibt nun nach der Fahrt zu sagen? Sie ist schnell, sie ist kraftvoll, sie ist abwechslungsreich. Man atmet gefühlt nur drei Mal: bei der Abfahrt in die Beschleunigungsstrecke, bei der Hangtime über der Brücke im Looping und beim Erreichen der Schlussbremse. Dazwischen pure Achterbahnemotion. Wir erleben alle möglichen Kräfte, die ein modernes Layout dieser Art präsentieren kann. Die Anlage enthält streng genommen kein normales Element. Alles ist irgendwie neu – vor allem in der Kombination und Dramaturgie. Junker ist aber nicht nur während der Fahrt wunderschön. Nein, die Anlage an sich ist auch eine Augenweide für die Zuschauer. Die Station wurde landestypisch in ein Holzhaus gebaut, der Abschussbereich ist als Startfeld eines Flughafens zu erkennen und der Großteil der Fahrt findet über dem Parksee statt. Eingeschlossen von beidem, Achterbahn und Wasserfläche, das thailändische Restaurant Kwai Bridge und die dazugehörige Brücke in und um die sich die Neuheit von 2013, der Kwai River von Interlink LG, schlängelt.

Junker erhebt sich trotz Tallage in jeder Sichtachse und verbindet sich gut mit den letzten Parkerweiterungen
Dieser Ort war übrigens beim Aufbau der Achterbahn auch der heikelste Moment, wie uns der zuständige Monteur von Gerstlauer erklärte. Die Teile konnten nicht auf dem Boden vormontiert werden, da dafür zu wenig Platz war und sie für das etwaige Heben zu schwer gewesen wären. So wurde der „Finnish Loop“ schwebend, mit nur zwei vormontierten Stützen und zwei Schwerlastkränen, zu je 100 und 130 Tonnen, in der Luft montiert. Eine einmalige Herausforderung, für die die Baupläne exakt studiert werden mussten. Ebenso die Stützen für den Top Hat: insgesamt über 20 Tonnen Gesamtgewicht an einem Krankhaken. Ein Puzzle in XXL das aus 70 LKW-Ladungen bestand. Übrigens, bei jedem Wetter und jedem Schritt von sieben Uhr früh bis sieben Uhr abends dabei: Der zehnjährige Junge der vom Fliegen träumt im Geiste vom inzwischen 69-jährigen Jorma Lilbacka. Am Ende blieb ihm nur noch zu sagen: „Best construction team ever.“ Denn so konnte die Eröffnung der Achterbahn sogar zwei Wochen vor dem eigentlich geplanten Termin stattfinden.

Jorma Lilbacka (rechts) startet zusammen mit Firmengründer Hubert Gerstlauer symbolhaft die erste Fahrt von Junker
Aber was bleibt uns am Ende zu sagen? Junker begrüßt erwartungsvoll die Parkgäste bei der Anreise mit seiner mächtigen und doch fragil wirkenden Konstruktion direkt neben einem Fluss gelegen und lässt einen so die Beine in die Hand nehmen. Der Park erweitert mit dieser sechsten Achterbahn sein Portfolio um eine besondere und einmalige Anlage. Einmalig auch ein neuer Rekord für Gerstlauer: Junker ist die nördlichste stationäre Achterbahn der Welt. Ihr Design ist nicht nur schick, sondern macht vor allem unendlich viel Spaß. Dabei ist die Anlage vom Fahrgefühl so ruhig wie ein Windhauch, hat aber die Energie eines Tornados. Die Interaktion mit vorhandenen Attraktionen und Infrastrukturen des Parks sind atemberaubend und die Schlichtheit der Thematisierung lässt einen einfach Kunstflug erleben. Denn Junker kann vor allem eines: Den Spruch „Nur fliegen ist schöner.“ ablösen. Chapeau!
Junker
PowerPark, Region Kauhava, Finnland
Video und Bilder © Eric Christopher Straube (1-21) und PowerPark (22)